Zurück

Verwendung der exspiratorischen Zeitkonstante

Artikel

Autor: Dr. med. Jean-Michel Arnal, Senior Intensivist, Hopital Sainte Musse, Toulon, Frankreich

Datum: 25.04.2018

Die exspiratorische Zeitkonstante (RCexsp) ist die dynamische Messung der Atemmechanik, die Atemhub für Atemhub bei allen Beatmungsgeräten von Hamilton Medical durchgeführt wird.
Verwendung der exspiratorischen Zeitkonstante

Produkt aus Compliance und Resistance

RCexsp ist bei passiven wie spontan atmenden Patienten ein zuverlässiger Wert, wenn wir davon ausgehen, dass die Exspiration passiv ist. Der Wert kann auch während der NIV herangezogen werden, vorausgesetzt, es gibt keine unbeabsichtigten Leckagen.

RCexsp stellt das Produkt aus Compliance und Resistance dar und liefert somit eine einzelne Variable, mit der die allgemeine Atemmechanik beurteilt werden kann. Mit diesem Parameter können Sie den Lungenzustand Ihres Patienten und dessen Schweregrad feststellen, die Einstellungen des Beatmungsgerätes optimieren, die Überwachung der Bauchlage durchführen und bestimmte respiratorische Ereignisse verstehen.

Exspiratorische Zeitkonstante bei normaler Lunge

Bei einem maschinell beatmeten Patienten mit normaler Lunge liegt RCexsp für gewöhnlich zwischen 0,5 und 0,7 Sekunden (siehe Abbildung 1). Es ist jedoch wichtig zu überprüfen, ob die Werte für Compliance und Resistance ebenso im normalen Bereich liegen, da ein gemischter Lungenzustand mit einer Kombination aus verringerter Compliance und erhöhter Resistance zu einem fälschlich normal wirkenden RCexsp-Wert führen könnte.

Screenshot des Displays mit RCexsp von 0,60
Abbildung 1: Typische Atemmechanik bei einem Patienten mit normaler Lunge (die grüne Umrahmung weist auf eine normale Resistance und Compliance bezogen auf die Grösse)
Screenshot des Displays mit RCexsp von 0,60
Abbildung 1: Typische Atemmechanik bei einem Patienten mit normaler Lunge (die grüne Umrahmung weist auf eine normale Resistance und Compliance bezogen auf die Grösse)

Kurze exspiratorische Zeitkonstante

Eine exspiratorische Zeitkonstante von weniger als 0,5 Sekunden weist auf eine Abnahme der Compliance aufgrund der Lunge oder der Brustwand hin (siehe Abbildung 2). Bei ARDS-Patienten befindet sich der RCexsp-Wert typischerweise im Bereich von 0,4 bis 0,6 Sekunden. Bei Patienten mit schwererem ARDS ist er kürzer, was auf eine niedrige Compliance und ein geringes Volumen an belüftetem Lungenareal hindeutet. Bei Patienten mit Lungenfibrose oder steifer Brustwand wie bei Kyphoskoliose ist RCexsp für gewöhnlich mit einem Bereich von 0,15 bis 0,25 Sekunden sehr kurz.

Screenshot des Displays mit RCexsp von 0,41
Abbildung 2: Typische Überwachung der Atemarbeit bei einem ARDS-Patienten
Screenshot des Displays mit RCexsp von 0,41
Abbildung 2: Typische Überwachung der Atemarbeit bei einem ARDS-Patienten

Lange exspiratorische Zeitkonstante

Eine exspiratorische Zeitkonstante von über 0,7 Sekunden deutet auf eine erhöhte Resistance hin, was mit einer erhöhten Compliance bei COPD-Patienten mit Lungenemphysem in Verbindung stehen kann (siehe Abbildung 3). Ein langer RCexsp-Wert ist für Patienten mit COPD und Asthma typisch. Bei Patienten mit schweren Bronchospasmen kann RCexsp bis zu 3 Sekunden lang sein. Wenn der Patient nicht an COPD oder Asthma leidet, kann ein langer RCexsp ein Hinweis auf eine inkorrekte Platzierung des Endotrachealtubus oder Knicke darin sein.

Screenshot des Displays mit RCexsp von 1,68
Abbildung 3: Typische Überwachung der Atemarbeit bei einem COPD-Patienten
Screenshot des Displays mit RCexsp von 1,68
Abbildung 3: Typische Überwachung der Atemarbeit bei einem COPD-Patienten

RCexsp für die Optimierung der Einstellungen am Beatmungsgerät

Patienten mit einem kurzen RCexsp-Wert haben ein erhöhtes Risiko für eine beatmungsinduzierte Lungenschädigung und sollten engmaschig hinsichtlich Tidalvolumen, Driving Pressure und Plateaudruck überwacht werden. Bei Patienten mit einer langen RCexsp hingegen besteht das Risiko einer dynamischen Hyperinflation, weshalb bei ihnen der intrinsische PEEP regelmässig gemessen werden sollte.

Bei druckunterstützten Modi und im ASV®-Modus ist die exspiratorische Triggersensitivität (ETS) eine wichtige Einstellung zur Optimierung der Synchronisation zwischen Patient und Beatmungsgerät. ETS stellt den Prozentsatz des maximalen inspiratorischen Flows dar, bei dem der maschinelle Atemhub endet. Ein hoher Prozentsatz führt zu einem kurzen maschinellen Atemhub und umgekehrt. Diese Einstellung kann je nach Atemmechanik optimiert werden.

Anpassen von ETS basierend auf RCexsp

Anfänglich kann ETS basierend auf RCexsp wie folgt angepasst werden:

RCexsp ETS
Normal 25 % bis 40 %
Kurz 5 % bis 25 %
Lang 40 % bis 70 %

RCexsp zur Überwachung der Bauchlage

Die Auswirkungen der Bauchlage auf die Atemmechanik können mithilfe des Trends von RCexsp und Compliance ermittelt werden. Wenn die Bauchlage mit einem Lungenrecruitment in Verbindung steht, wird dies durch einen Anstieg in der Compliance und RCexsp angezeigt. Steigt RCexsp ohne Veränderung der Compliance an, sollte das klinische Personal den Endotrachealtubus auf korrekte Positionierung und Knicke prüfen.

Die Abbildung unten zeigt ein Beispiel für Trends der Atemmechanik in Rückenlage und Bauchlage. Der Cursor verweist auf den Beginn der Sitzung in Bauchlage. Nach Beginn der Bauchlage steigen RCexsp und Compliance an, was auf ein Lungenrecruitment hinweist (siehe Abbildung 4).

Screenshot mit Anstieg von RCexsp und Compliance
Abbildung 4: Trends der Atemmechanik in Rückenlage und Bauchlage
Screenshot mit Anstieg von RCexsp und Compliance
Abbildung 4: Trends der Atemmechanik in Rückenlage und Bauchlage

RCexsp zum Verständnis von respiratorischen Ereignissen

Bei einem plötzlichen Ereignis, das zu einer Entsättigung und/oder einem Anstieg im Atemwegsdruck führt, ist eine schnelle Diagnose erforderlich. Die Betrachtung der Trends für RCexsp hilft uns zu verstehen, ob das Ereignis mit einer schnellen Veränderung in der Atemmechanik zusammenhängt. Ein Anstieg bei RCexsp bedeutet einen der folgenden Umstände: Obstruktion oder Fehlpositionierung des Endotrachealtubus, der Patient beisst auf den Endotrachealtubus, überschüssige Sekrete oder Bronchospasmen. Eine Abnahme von RCexsp wiederum weist auf Pneumothorax, Pleuraerguss oder Atelektase hin. Eine plötzliche Entsättigung ohne Veränderung bei der RCexsp ist ein Indikator für ein Abfallen im Herzzeitvolumen oder eine schwere Lungenembolie.

 

Den vollständigen Quellenverweis finden Sie unten: (Arnal JM, Garnero A, Saoli M, Chatburn RL. Parameters for Simulation of Adult Subjects During Mechanical Ventilation. Respir Care. 2018;63(2):158-168. doi:10.4187/respcare.057751​).

Parameters for Simulation of Adult Subjects During Mechanical Ventilation.

Arnal JM, Garnero A, Saoli M, Chatburn RL. Parameters for Simulation of Adult Subjects During Mechanical Ventilation. Respir Care. 2018;63(2):158-168. doi:10.4187/respcare.05775



BACKGROUND

Simulation studies are often used to examine ventilator performance. However, there are no standards for selecting simulation parameters. This study collected data in passively-ventilated adult human subjects and summarized the results as a set of parameters that can be used for simulation studies of intubated, passive, adult subjects with normal lungs, COPD, or ARDS.

METHODS

Consecutive adult patients admitted to the ICU were included if they were deeply sedated and mechanically ventilated for <48 h without any spontaneous breathing activity. Subjects were classified as having normal lungs, COPD, or ARDS. Respiratory mechanics variables were collected once per subject. Static compliance was calculated as the ratio between tidal volume and driving pressure. Inspiratory resistance was measured by the least-squares fitting method. The expiratory time constant was estimated by the tidal volume/flow ratio.

RESULTS

Of the 359 subjects included, 138 were classified as having normal lungs, 181 as ARDS, and 40 as COPD. Median (interquartile range) static compliance was significantly lower in ARDS subjects as compared with normal lung and COPD subjects (39 [32-50] mL/cm H2O vs 54 [44-64] and 59 [43-75] mL/cm H2O, respectively, P < .001). Inspiratory resistance was significantly higher in COPD subjects as compared with normal lung and ARDS subjects (22 [16-33] cm H2O/L/s vs 13 [10-15] and 12 [9-14] cm H2O/L/s, respectively, P < .001). The expiratory time constant was significantly different for each lung condition (0.60 [0.51-0.71], 1.07 [0.68-2.14], and 0.46 [0.40-0.55] s for normal lung, COPD, and ARDS subjects, respectively, P < .001). In the subgroup of subjects with ARDS, there were no significant differences in respiratory mechanics variables among mild, moderate, and severe ARDS.

CONCLUSIONS

This study provides educators, researchers, and manufacturers with a standard set of practical parameters for simulating the respiratory system's mechanical properties in passive conditions.