Autor: Caroline Brown
Datum: 02.03.2022
Der Studienansatz berücksichtigte die Verwendung niedrigerer Tidalvolumina und eines geringeren Driving Pressure (
Die Verwendung des ösophagealen Drucks (Pes) - eine Schätzung des Pleuradrucks - als Richtwert kann eine genauere, individuell abgestimmte PEEP-Titration unterstützen, was das Risiko eines Atelektraumas verringert und eine Überblähung der Lunge reduziert. Der ösophageale Druck ermöglicht es uns, zwischen der Mechanik der Lunge und der Brustwand zu unterscheiden, die Neigung der Lunge zum Recruitment bzw. Derecruitment zu bestimmen und den allgemeinen Lungenstress zu schätzen (
In einer kürzlich durchgeführten Sekundäranalyse (
Für die Analyse wurden alle 200 Patienten betrachtet, die an der EPVent-2-Studie teilgenommen hatten. Das Ausgangs-Sterberisiko aufgrund von Multiorganversagen und chronischen Erkrankungen wurde mithilfe des Acute Physiology and Chronic Health Evaluation II (APACHE II)-Score quantifiziert. Der Medianwert betrug 27,5. Werte unterhalb des Medians wurden als niedrige APACHE II-Scores und Werte darüber als hohe APACHE II-Scores klassifiziert. Die APACHE II-Scores waren gleichmäßig auf die zwei Gruppen verteilt (Pes-gesteuert gegenüber empirisch hohem PEEP: 27,0 ± 7,7 gegenüber 27,7 ± 7,4; P = 0,35). Das mittlere Ausgangs-Sterberisiko lag am Tag 60 bei 36,6 % (Quartilsabstand 29,0 – 43,0 %) für die Gruppe mit Pes-gesteuertem PEEP und bei 37,6 % (31,9–44,3 %) für die Gruppe mit empirisch hohem PEEP (P = 0,34).
Die Ergebnisse der Primäranalyse der 60-Tage-Sterblichkeit ergaben einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Wirksamkeit von Pes-gesteuertem PEEP und dem Schweregrad der Krankheit zu Studienbeginn. Bei Patienten mit niedrigem APACHE II-Score betrug die 60-Tage-Sterblichkeit 20 % für die Gruppe mit Pes-gesteuertem PEEP und 39,6 % für die Gruppe mit empirisch hohem PEEP. Bei Patienten mit hohem APACHE II-Score hingegen schien sich der Effekt umzudrehen. Die 60-Tage-Sterblichkeit bei Patienten mit schwererem Multiorganversagen zu Studienbeginn war für die Gruppe mit Pes-gesteuertem PEEP höher als für die Gruppe mit empirisch hohem PEEP. Dieser Zusammenhang mit der Sterblichkeit blieb bei allen durchgeführten Analysen konstant, unabhängig vom gewählten Modellierungsverfahren und selbst bei Verwendung des Sequential Organ Failure Assessment (SOFA)-Score anstelle des APACHE II-Score.
Die Autoren bieten zwei mögliche Erklärungen für diese Ergebnisse. Einerseits ist eine individuell abgestimmte PEEP-Titration hauptsächlich für Patienten mit schwerem ARDS von Vorteil, die eher aufgrund einer Lungenverletzung als aufgrund des Multiorganversagens sterben. Bei Patienten mit schwerem Multiorganversagen hebt das erhöhte Risiko einer hämodynamischen Instabilität aufgrund von tidaler Überblähung den Vorteil der Lungenprotektion womöglich auf. Andererseits war in zwei der ersten drei Tage der endinspiratorische PL deutlich höher bei der Untergruppe der Patienten mit hohem APACHE II-Score, die der Gruppe mit Pes-gesteuertem PEEP zugewiesen worden waren. Da ein höherer endinspiratorischer PL auf eine tidale Hyperinflation hinweist, könnte dies die Erklärung für das schlechtere Abschneiden dieser Patienten sein.
Was die sekundären Endpunkte angeht, nämlich Tage ohne Unterstützung durch das Beatmungsgerät und Tage ohne Schock, zeigten die Daten einen ähnlichen Zusammenhang. Der Behandlungseffekt bei Pes-gesteuertem PEEP war vom allgemeinen Krankheitsgrad zu Studienbeginn abhängig. Bei Patienten mit niedrigem APACHE II-Score stand ein Pes-gesteuerter PEEP mit mehr Tagen ohne Unterstützung durch das Beatmungsgerät und ohne Schock in Zusammenhang als bei empirisch hohem PEEP. Im Gegensatz zum primären Endpunkt hielt dieser Zusammenhang jedoch den Post-hoc-Sensitivitätsanalysen nicht stand.
Das zweite wichtige Ergebnis dieser Studie war der Zusammenhang zwischen Überlebensrate und der Annäherung des endexspiratorischen transpulmonaler Drucks an 0 mbar. Bei allen Patienten war die Sterblichkeitsrate unabhängig von der Behandlungsgruppe oder dem APACHE II-Score dann am geringsten, wenn PEEP auf einen endexspiratorischen PL nahe 0 mbar titriert wurde. Anstelle eines linearen Zusammenhangs zwischen dem endexspiratorischen PL und der Sterblichkeit fanden die Autoren heraus, dass Werte zwischen +2 und -2 mbar mit einer höheren Überlebensrate in Zusammenhang standen, während für Werte über- oder unterhalb dieses Bereichs getrennt eine niedrigere Überlebensrate nachgewiesen wurde. Dieser Zusammenhang blieb auch dann statistisch signifikant, wenn der endinspiratorische PL berücksichtigt wurde. Werte innerhalb dieses Sicherheitsbereichs standen auch mit mehr Tagen ohne Unterstützung durch das Beatmungsgerät und ohne Schock in Zusammenhang.
Bemerkenswert war auch, dass sich bei der Gruppe mit Pes-gesteuertem PEEP in den ersten 4 Tagen die Werte für den endexspiratorischen PL in einem engeren Bereich bewegten; dies könnte auf eine genauere PEEP-Titration auf den PL hinweisen. Zudem befand sich der endexspiratorische PL in der Gruppe mit Pes-gesteuertem PEEP näher bei 0 mbar, wenn dies auch nicht ein spezifisches Ziel dieser Strategie war.
Auch wenn diese Ergebnisse aus einer Neuanalyse stammen, die nicht im ursprünglichen Studienprotokoll vorgesehen war, zeigen sie auf, dass weitere Untersuchungen in prospektiven Studien nötig sind, um die PEEP-Titration auf einen endexspiratorischen PL nahe 0 mbar unter Berücksichtigung der Heterogenität von Multiorganversagen zu Studienbeginn zu evaluieren.
Diese Erkenntnisse unterstreichen auch, wie wichtig es ist, bei der Auswahl von PEEP die hämodynamischen Bedingungen zu berücksichtigen. Sie legen nahe, dass PEEP auf einen endexspiratorischen Ziel-PL nahe 0 mbar eingestellt werden sollte. Bei Patienten mit schwerem Schock sollte ein hoher PEEP möglichst vermieden werden, v.a. in Fällen, wo der gewählte PEEP zu einem endexspiratorischen PL führt, der weit über 0 mbar liegt.
Die Beatmungsgeräte HAMILTON-G5/S1 (
Siehe Referenz unten: (