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Schwerwiegende Verschlechterung von COPD – Worin besteht die optimale nichtinvasive Beatmungsbehandlung?

Artikel

Autor: Jean-Michel Arnal, Leitender Intensivmediziner, Hopital Sainte Musse, Toulon, Frankreich

Datum: 03.12.2024

Chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine der häufigsten Krankheiten weltweit.

Kernaussagen

  • COPD ist eine der häufigsten Krankheiten weltweit und die Verschlechterung von COPD ist oft Ursache für die Aufnahme auf einer Intensivstation.
  • NIV gilt derzeit als der Gold-Standard bei der Behandlung von akutem Atemversagen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Therapie mit High-Flow Nasenkanüle physiologische Vorteile im Falle einer Verschlechterung der COPD besitzt.
  • In einer monozentrischen randomisierten kontrollierten Studie wurden NIV und HFNT bei der Behandlung von 228 Patienten mit schwerer Verschlechterung der COPD verglichen. 
  • NIV erwies sich gegenüber HFNC als überlegen in Bezug auf das Behandlungsversagen, wobei es keine Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich der Mortalität, der Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation oder der Aufenthaltsdauer im Krankenhaus gab.

Ursachen und Folgen der Verschlechterung

COPD betrifft 10 % der erwachsenen Bevölkerung mit geschätzten 3 Millionen Todesfällen jährlich, was zu einer enormen wirtschaftlichen und sozialen Belastung führt (Global initiative for chronic obstructive pulmonary disease1). Eine gravierende Verschlechterung der COPD ist eine häufige Ursache für die Aufnahme auf einer Intensivstation (Peñuelas O, Muriel A, Abraira V, et al. Inter-country variability over time in the mortality of mechanically ventilated patients. Intensive Care Med. 2020;46(3):444-453. doi:10.1007/s00134-019-05867-92​). Verschlechterungen werden hauptsächlich durch Virusinfektionen der Atemwege ausgelöst, obgleich eine bakterielle Infektion, die Verschmutzung der Umgebungsluft oder übermässige Hitze das Ereignis ebenfalls anstossen oder verstärken können. Die akute Atemnot resultiert aus einem Ungleichgewicht zwischen der erhöhten Atemarbeit und der beeinträchtigten neuromuskulären Kapazität, wobei der intrinsische PEEP die Hauptbelastung darstellt.

Der Gold-Standard: NIV

Zur Ursachenbekämpfung werden pharmakologische Therapien und Physiotherapie eingesetzt, während die Atemnot mit vorübergehender Atemunterstützung behandelt wird. Nichtinvasive Beatmung (NIV) gilt derzeit als Gold-Standard für die Behandlung von Atemversagen (Osadnik CR, Tee VS, Carson-Chahhoud KV, Picot J, Wedzicha JA, Smith BJ. Non-invasive ventilation for the management of acute hypercapnic respiratory failure due to exacerbation of chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database Syst Rev. 2017;7(7):CD004104. Published 2017 Jul 13. doi:10.1002/14651858.CD004104.pub43). Die Kombination von extrinsischem PEEP, der den intrinsischen PEEP ausgleicht, mit Druckunterstützung verringert die Atemfrequenz, die Atemarbeit und den PaCO2-Wert, während der pH-Wert gesteigert wird. Mit der NIV lässt sich eine invasive maschinelle Beatmung in den meisten Fällen verhindern, mit einer Häufigkeit des Behandlungsversagens von ca. 15 % (Lindenauer PK, Stefan MS, Shieh MS, Pekow PS, Rothberg MB, Hill NS. Outcomes associated with invasive and noninvasive ventilation among patients hospitalized with exacerbations of chronic obstructive pulmonary disease. JAMA Intern Med. 2014;174(12):1982–1993. doi:10.1001/jamainternmed.2014.54304​, Erratum: A Multicenter Randomized Trial Assessing the Efficacy of Helium/Oxygen in Severe Exacerbations of Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Am J Respir Crit Care Med. 2018;197(6):839–840. doi:10.1164/rccm.1976Erratum5).

Was ist mit High-Flow?

Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Therapie mit High-Flow Nasenkanüle (HFNT) bei schwerwiegender Verschlechterung der COPD physiologische Vorteile besitzt, die die Verringerung der Atemarbeit unterstützen. Eine verringerte Atemfrequenz, das Auswaschen des nasopharyngealen Totraums, ein PEEP-Wert, der den intrinsischen PEEP ausgleicht, sowie die Befeuchtung tragen gemeinsam dazu bei, den PaCO2-Wert zu senken (Cortegiani A, Longhini F, Madotto F, et al. High flow nasal therapy versus noninvasive ventilation as initial ventilatory strategy in COPD exacerbation: a multicenter non-inferiority randomized trial. Crit Care. 2020;24(1):692. Published 2020 Dec 14. doi:10.1186/s13054-020-03409-06​). Daher wird die optimale nichtinvasive Beatmungsunterstützung mittlerweile infrage gestellt.

Untersuchung von NIV gegenüber HFNT

In einem kürzlich veröffentlichten Artikel werden die Ergebnisse einer monozentrischen randomisierten kontrollierten Studie aus China dargestellt, in der NIV und HFNT bei der Behandlung einer schwerwiegenden Verschlechterung der COPD miteinander verglichen wurden (Tan D, Wang B, Cao P, et al. High flow nasal cannula oxygen therapy versus non-invasive ventilation for acute exacerbations of chronic obstructive pulmonary disease with acute-moderate hypercapnic respiratory failure: a randomized controlled non-inferiority trial. Crit Care. 2024;28(1):250. Published 2024 Jul 18. doi:10.1186/s13054-024-05040-97​). Das Studiendesign bestand in einer Nichtunterlegenheitsstudie mit Behandlungsversagen als primärem Endpunkt. COPD-Patienten mit moderater hyperkapnischer respiratorischer Azidose, definiert als PaCO2 ≥ 50 mmHg und pH zwischen 7,25 und 7,35, wurden aufgenommen. Ausgeschlossen wurden Patienten, die eine sofortige endotracheale Intubation erforderten, eine schwere Hypoxämie aufwiesen, sich in Palliativpflege befanden oder bei denen eine Kontraindikation für NIV oder HFNT vorlag. Die Patienten erhielten die NIV über eine Gesichtsmaske in einzelnen Sitzungen, wobei zwischen den NIV-Sitzungen Sauerstoff mit standardmässig niedrigem Flow verabreicht wurde, bis die respiratorische Azidose beseitigt war. HFNT wurde auf 40 l/min und 37 °C eingestellt und kontinuierlich oder intermittierend entsprechend der Toleranz des jeweiligen Patienten eingesetzt. Sobald der PaCO2-Wert korrigiert war, wurde der Flow langsam gesenkt, wenn der Patient keine Atemnot hatte, und dann bei Erreichen eines Flows von 15 l/min beendet. Ein Wechsel zwischen den Behandlungen war zulässig. Die Kriterien für eine Intubation waren definiert. Der primäre Endpunkt war das Behandlungsversagen, definiert als invasive Beatmung, oder ein Wechsel des respiratorischen Behandlungsmodus. 

Ergebnisse

Von 415 Patienten aus dem Screening wurden 228 Patienten randomisiert. Bei Aufnahme in die Studie hatten die meisten von ihnen COPD im GOLD-Stadium II oder III mit einem pH-Wert von ca. 7,30 und einem PaCO2-Wert von 60 – 65 mmHg. In der Intention-to-treat-Analyse trat ein Behandlungsversagen bei 26 % der HFNT-Gruppe und 14 % der NIV-Gruppe auf. Der Unterschied zwischen den Gruppen lag über dem Nichtunterlegenheits-Schwellenwert. Ähnliche Ergebnisse wurden für die Per-Protokoll-Analyse berichtet. Die endotracheale Intubationsrate betrug 14 % bei der HFNT-Gruppe und 5 % bei der NIV-Gruppe (p = 0,026). Die NIV war erfolgreicher bei der Senkung des PaCO2-Werts über 48 Stunden, während die HFNT mit einem höheren vom Patienten berichteten Komfort sowie einer geringeren Anzahl an Atemwegsinterventionen durch das Pflegepersonal einherging. Es wurde kein Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich der Mortalität oder der Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation oder im Krankenhaus festgestellt. 

HFNT zwischen NIV-Sitzungen

Diese Studie legt nahe, dass die NIV der HFNT hinsichtlich der Häufigkeit von Behandlungsversagen überlegen ist. NIV bietet die Möglichkeit, den PEEP anzupassen und zusätzliche Druckunterstützung bereitzustellen, wodurch im Vergleich zur HFNT effektiver das Minutenvolumen des Patienten erhöht und seine Atemarbeit gesenkt werden kann. Da die NIV jedoch in Sitzungen angewendet wird, geht die HFNT zwischen den NIV-Sitzungen mit einer niedrigeren Atemfrequenz, weniger Dyspnoe und erhöhtem vom Patienten berichtetem Komfort einher im Vergleich zur Verabreichung von Sauerstoff mit niedrigem Flow (Spoletini G, Mega C, Pisani L, et al. High-flow nasal therapy vs standard oxygen during breaks off noninvasive ventilation for acute respiratory failure: A pilot randomized controlled trial. J Crit Care. 2018;48:418-425. doi:10.1016/j.jcrc.2018.10.0048​).

Abschliessende Bemerkungen

Die Autoren kommen zum Schluss, dass NIV die erste Massnahme der Beatmungsunterstützung bei schwerwiegender Verschlechterung von COPD bleiben sollte, während HFNT nützlich bei der Unterstützung des Patienten zwischen den NIV-Sitzungen ist.

Die Beatmungsgeräte von Hamilton Medical bieten HFNT- (Standard or optional feature depending on ventilator modelA​), NIV-(Standard or optional feature depending on ventilator modelA​) und invasive Beatmungsmodi. Wenn ein beheizter Befeuchter HAMILTON-H900 angeschlossen ist, kann das klinische Fachpersonal leicht eine kombinierte Behandlungsstrategie aus NIV und HFNT verfolgen und im Falle des Versagens zur invasiven maschinellen Beatmung wechseln.
 

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